… von Hans Strack
Gern komme ich auch dem Wunsche nach, über das Mailiedausrufen und das eigentliche Jungenspiel zu berichten. Dabei erlaube ich mir als schriftliche Quelle einen Beitrag von Frau Sigrid Barlen-Ebert heranzuziehen, in der ich Forschungsergebnisse entdeckte, die mir unbekannt waren.
Das Mailiedausrufen, auch Mailehen genannt, ist in weiten Gebieten Deutschlands vom Rheinland bis Schlesien als Brauch bekannt. Nach dem Handwörterbuch des deutschen Aberglaubens findet der Brauch des Lehenausrufens auch zu anderen Zeiten statt. Diese Feststellung zeigt, dass Namen und Brauch nicht aus dem Monat Mai zu deuten sind, sondern das Maien soll ursprünglich mit dem Wort maien = lieben, freien zusammenhängen. Es soll eine Vorstufe der Verlobung sein. Mit der Bezeichnung Mai ist nicht der Monat, sondern die Frühlingszeit allgemein und hier das neu erwachte Leben gemeint. Der Begriff Lehen wird auf leihen, verleihen zurückgeführt.
Am ersten Sonntag im Monat Mai war und ist das Maien, also das Minnen und Freien, mit Spiel (Musik) und Gesang, Ringelreihen und Tanz sowie einem Aufzug des Maikönigs und seiner Königin die Freude der Jugendlichen. Zur Hauptkirmes: Juli oder August erreicht sie schließlich ihren Höhepunkt.
Das Lehenausrufen geschah in der Mainacht. Es versammeln sich die Dorfjungen in der Nacht zum ersten Mai im Gasthaus Mennicken, von wo aus sie singend durch Vorweiden ziehen und vor den Häusern der Mädchen „de Mailedchere“ ausrufen, das heißt, jeder Schönen den vorher bestimmten Burschen zusprechen. „Die dabei gesungenen Mailieder zeigen in der gesamten Aachener Region enge Verwandtschaft; meist ist es ein merkwürdiges Gemisch von Mundart und Hochdeutsch und ein wahlloses Gefüge alter Volkslieder. Für das Ausrufen der Lehen mussten sich die Mädchen durch eine Spende bedanken.“
Dort wo es eine „Versteigerung“ der Mädchen gab, wurde derjenige Maikönig, der am meisten für ein Mädchen in die Burschenkasse gezahlt hatte; sein Mädchen erwählte er dann zur Maikönigin.
Als die Rheinlande und das Aachener Gebiet preußisch wurden, wurden einige Volksbräuche wegen ihrer Fremdartigkeit, aber auch wegen ihrer eingeschlichenen Auswüchse, verboten. Dennoch blieb das Mailiedausrufen lebendig. Berichtet wird auch, dass das Ausüben des Brauches in den Jahren vor und nach dem 1. Weltkrieg ebenfalls verboten war, dass die Jungen aber trotzdem die Mädchen „versteigerten“ und das Mailied nachts in den Straßen sangen. Zur Vorsicht wurde ein Posten an der Zugangsstraße aufgestellt, der zu warnen hatte, wenn der Ortsgendarm kam. Dann brachten sich alle schnell in Sicherheit.
Aus dem gesichteten Quellenmaterial geht hervor, dass sich das Maibrauchtum trotz der häufigen Verbote durch die Obrigkeit durch Jahrhunderte erhalten hat.
Es soll nun die Ausübung des Brauches in unserer ehemaligen Gemeinde Broichweiden geschildert werden, einer Gemeinde, die in vielen Jahren zusammengewachsen aber seit 1972 Teil der Stadt Würselen geworden ist. Die einzelnen Ortschaften: Weiden, St. Jobs-Dobach, Linden-Neusen und Vorweiden haben jedoch im Brauchtum ein Eigenleben bewahrt, verbinden sich aber in gewissen Teilen am 2. oder 3. Sonntag nach Pfingsten zur großen Kirmes – die indirekt mit dem Brauch des Mailehens oder Mailiedsingens zusammenhängt – zu einem gemeinsamen Fest der Stadt, das die Aufmerksamkeit der gesamten Umgebung auf sich zieht.